Rotenburg

Die Regio-Challenge – 1 Woche essen, was um Hof Grafels Ecken wächst

Es gibt nichts zu essen für mich. Diesen absurden Schluss fasse ich am ersten Tag der Regio-Challenge und schaffe ihn trotz einem Feld voll von reifem Gemüse nicht zu wiederlegen. In meinem Kopf zumindest, mein Magen wird voll – mit Mais, Salat und Pellkartoffeln.

Am 2. Tag finde ich mich immer mal wieder verloren in der Küche wieder. „Was soll ich bloß essen?!“ und gehe raus. Obwohl sich auf meinem normalen Speiseplan viel Gemüse von vor Ort sowie saisonale Produkte finden lassen, wird mir bewusst, wie viel „Zusatzstoffe“ ich dem Essen beifüge bis es mir richtig gut schmeckt: An den Salat kommen Senf, Honig, Pfeffer, Balsamico, Salz, Leinöl und Sonnenblumenkerne, an Gekochtes u.a. Gewürze wie Curry, Kokosmilch, Tofu, Sojasahne oder Ingwer…

Wo kommt das alles her? Wie weit sind diese Dinge gereist?

Mit wird bewusst wie normal es für mich ist, dass es all das gibt. Im Supermarkt und in meiner Küche. Immer. Und ich bin erschrocken, wie unbeholfen ich mich fühle mit einem Haufen Gemüse und meinen zwei Jokern Salz und Kokosfett.

Ich dachte, ich sei der globalisierten Agrarindustrie zu einem guten Teil entkommen. Weit gefehlt, denke ich jetzt am Abend des zweiten Tages mit Blick auf einen schlicht gesalzenen Salat und zu einer Kürbissuppe püriertem Gemüse. Was durfte heute alles im Regal stehen bleiben!?

Gemeinsam mit meinen Regio-Challenge-Mitstreiter*innen frage ich mich, wie sich unser verkürzter Speiseplan erweitern ließe. Wir telefonieren rum und durchstreifen das Internet. Wir sind nicht gut vorbereitet. Wo gibt es Öl, wer baut Getreide an und wer Buchweizen?

Plötzlich steht eine Bekannte mit einem Glas Salz in der Tür. Das käme aus Soltau. Sie hatte ganz vergessen, dass sie es im letzten Jahr von dort mitgebracht hatte. Wir entscheiden, dass es okay ist unseren Joker Salz nun durch etwas anderes zu ersetzen. Was für Möglichkeiten sich da auftun! Nur der Entschluss, welche es sein soll, fällt nicht leicht.

Am 3. Tag finden wir auf dem Wochenmarkt in Rotenburg einen Stand mit Öl. Die Ölmühle dazu liegt in Fahrradentfernung, nur die Saat kommt aus Hameln. Immerhin noch Niedersachsen, aber zu weit für mein Rad und mich. Im näheren Umkreis würde kein Lein angebaut werden, so der Müllermeister.

Den freigewordenen Joker verwenden wir für das leckere Öl und unser Essen bekommt Aufwind.

In meiner Regio-Challenge-Kleingruppe haben wir die gleichen Joker gewählt. Das bekommt den gemeinsamen Mahlzeiten gut und führt zu interessanten Gesprächen. Überhaupt sprechen wir viel über Essen, über unser und das gesellschaftliche Ernährungsverhalten sowie über die heutige globalisierte Landwirtschaft.

Von Tag zu Tag werden die Speisen feiner und unsere Ideen und die Kreativität größer.

Sie führen uns zu Garten- oder würzigem Wildkräuterpesto, zu angedickten Dipsoßen, leckeren Smoothies mit gefrorenen Blaubeeren von der Nachbarplantage, russischer Borschsuppe und Ofengemüse. Als Snack für Zwischendurch gibt es Beeren und Apfelsaft und am Abend Pfefferminztee.

Was machen bloß die Leute in der Stadt, frage ich mich.

Es fällt mir auf, dass die kleinen Dinge, die ich sonst so als Snack essen fast alle hoch verarbeitet sind oder von weit weg kommen: Datteln, Joghurt, Aufstrich, Gebäck, Schokolade, Chips, Eiscreme, Dinkel-Mandel-Drink…

All das fällt nun raus. Und mit Blick auf die Inhaltsstoffe wird klar, wie zusammengewürfelt und weit weg diese Produkte von ihrem Ursprung sind.

Meine Wertschätzung für die Nahrung von vor Ort wächst von Tag zu Tag bis ich mir am Ende der Woche nicht so richtig vorstellen kann, am Nach-Regio-Challenge-Montag wieder herzhaft in eine Apfelschnecke vom Bäcker oder in ein Brot mit Aufstrich, der schon so lange im Glas ist, zu beißen.

Wer hätte das gedacht!

Wann ist die nächste Regio-Challenge? Ich bin dabei!

Kathrin